Feature: Dorfkirchen Kind zum Rock-Virtuose unterstützt alternative Kulturszene in Bielefeld
- Linus Knoche
- Jan 7
- 6 min read
Updated: Feb 25

Als ich draußen gewartet habe, war ich wegen meiner Vorstellung von Alex nervös. Ich hatte mir ihn groß mit einem langen Bart und vielleicht einer Lederjacke vorgestellt, dass er etwas grimmiger und sehr ernst ist, aber das hat sich nicht bestätigt. Er sah schon wie ein Rocker aus mit seinem Bart und den Tattoos aber er war nicht so groß und von der Einstellung war er auch sehr locker. Als er die Tür von dem Nr. zum Platz Kulturverein auf machte, begrüßte mich freundlich und lud mich in den großen dunklen Eingang zum Entertainment Raum ein. Es roch wie bei einem Konzert - nach Nebelmaschinen und Zigaretten - von innen sah der Raum aus wie eine Kneipe, in der es auch kleine Auftritte gibt. Ich setzte mich auf einen Barhocker an der Theke vor der Bühne, währenddessen unterhielt sich Alex mit zwei anderen Vereinsmitgliedern über die kommende Drum&Bass Veranstaltung. Neben einer kleinen Bühne sah ich viele Lautsprecher mit DJ und Bühnenequipment.
Aber ich war eigentlich gekommen, um einem Bielefelder Rocker ein paar Fragen über sein Leben zu stellen.
,,Ich hab’ kein Genre, was ich höre. Man kommt natürlich so aus seiner Jugend und man hat dann so Präferenzen gehabt”, sagt Alex erklärend.
,,Natürlich war’s bei mir so ein bisschen induziert von meinem Vater. Das war so old school rock. Dann kam auch ‘nen bisschen Disco, Bee Gees, und so von meiner Mum dazu, und irgendwann hast du dann deinen eigenen Musikgeschmack und das war so vorrangig grunge. Ich hatte lange, lange keinen Zugang zu Elektro Sachen, aber das kam spätestens, als ich so ‘nen bisschen älter wurde. Also das zu dem Thema, was ich so höre, eigentlich alles. Alles, was mich irgendwie anspricht, musikalisch und künstlerisch.”
Anschließend hat Alex dann mit 8 Jahren angefangen, Gitarre zu spielen. Dazu sagte er: ,,Meine Mutter war in so ‘nem Gitarrenkreis in der Kirchengemeinde…ich komme aus dem Kalletal - das ist so auf dem Dorf, da gibt's nicht so viel".
Dort hat er über die Kindergottesdienste und den Jugendtreff zum Gitarre spielen gefunden, aber er meinte, er wäre nicht Gitarrist geworden, wenn es diese Proben bei dem Kirchenchor nicht gegeben hätte. Was auch gut für ihn war, denn dadurch hatte er jeden Mittwoch die Bandproben und auch regelmäßige Auftritte vor Publikum.
Mit 13-14 Jahren ist er in die Schulband eingestiegen. ,,Die erste E-Gitarre, die ich in der Hand hatte, war die Schulgitarre." Mit 16-17 hatte Alex seine eigene Band, die ,,Asset Racer", die nur ,,eigene Stücke spielte”, Richtung Punk, Rock n’ Roll.

Neben der Gitarre singt Alex auch. So ist er 2009, wie er sagt, zu seiner ,,Hauptband" gekommen, Stevie to the Noise. Diese gibt es auch immer noch und hat im Juli 2024 ihr Jubiläum von 15 Jahren. Sie spielen überwiegend Stonerrock, ,,Weil wir solche Bands auch gerne gehört haben, wie z.B. Queen of the Stone Age, Pearl Jam…”
Sein Vorbild ist Jack White von den White Stripes. “Das war total avantgardistisch, erst mal nur zwei Leute auf der Bühne, weil man kannte immer nur diese riesen Bands wie Guns N’ Roses mit Orchester und so’n Scheiß”. Von den White Stripes ist auch sein Lieblingsalbum, ,,Elephant”, dieses hat er von seinem lange gesparten Geld gekauft, die Erstpressung von dem Album. ,,Für 250,- aus London. Ich hatte nicht mal einen Plattenspieler, aber ich wollte es unbedingt haben.”
Inzwischen sagt er, ,,...kannst du alles bei YouTube nachgucken… wie starte ich ‘ne Band… damals gab’s YouTube schon, aber du hast es nicht geguckt. Das hast du dir alles so im Kämmerlein mit deinen Dudes selber erarbeitet und hast auch total viele Fehler gemacht.” Aber durch die Fehler lernt man gut, sagt er. ,,Das ist auch heute noch so - ich gucke manchmal mit jetzt 34 auf gestandene Musikproduzenten und lache sie dann aus, weil die so in ihrem System verfahren sind, einfach weil die es so gelernt haben. Das ist auch so ‘ne deutsche Einstellung: es muss immer alles perfekt sein!” Laut seiner Erfahrung sagt Alex aber, Musik lebt von Imperfektion.
,,Wenn du gut mit deinen Musikern eingegroovt bist…dann machst du teilweise sechs Sachen gleichzeitig. Du spielst Musik, du bewegst dich auf der Bühne, du guckst ins Publikum… Dein Puls ist teilweise bei 150-160. Dadurch ist das, was du vorher erlebt hast, oder Probleme, die du hast, das ist alles weg. Das stellt das Gehirn nur auf Reaktion.”
So beschreibt Alex das Gefühl von Gitarre-Spielen. ,,Das ist ein Gefühl, das kriegst du beim Fallschirmspringen nicht, und auch nicht beim Sex. Deshalb nehmen viele Musiker auch leider Drogen, um diese Lücken von High zu High zu überbrücken.”
Alex nimmt aber keine Pause von Musik. In seiner neuen Band ist er ,,nur” der zweite Gitarrist, weil er seit 20 Jahren immer der erste Mann vorne am Mikro war. So kann er sich intensiver mit seinem Instrument beschäftigen. Privat hat er sich Zuhause sein eigenes Tonstudio aufgebaut, damit er sich auch mal in anderen Musikrichtungen ausprobieren kann.
Also inzwischen ist Alex in zwei Bands und hat nebenbei noch ein Projekt mit seiner Freundin laufen, ,,Liquid Electric”. “Wir versuchen, das in so einer Richtung Ambiont-Lofy Elektro-Musik zu machen.” In diesem Projekt versucht er seine Musik ohne Bühnenpräsenz zu präsentieren.
Nach einer kleinen Pause ging es wieder um seine Hauptband Stevie to the Noise, in der er Sänger und Gitarrist ist. Er schreibt auch Songs für die Band, macht den Social Media Content und kümmert sich um die Presse, aber das macht ihm nur Spaß. Hauptsächlich ist er seit 10 Jahren Elektriker, hat aber vorher Mathematik und Physik im Lehramt studiert.
,,Akademiker ist nicht so mein Style - die sind alle so sehr ‘Ich -bezogen’ und nicht diskussionsbereit… halt, nicht den Blick nach draußen zu haben.”
Im Handwerkerjob kann er am Ende einen Haken dran machen, am Ende hat er sein Geld und einen freien Kopf für Musik. Jedoch wird ihm bewusst, ,,Als Musiker ist man permanent pleite, weil man immer wieder neue Sachen haben möchte.” Inzwischen ist es auch nicht mehr möglich, durch viele kleine Auftritte berühmt zu werden. ,,Das war vor 10 Jahren vielleicht noch möglich, aber jetzt ist es genau der andere Weg: man geht über das Internet an die Leute… Quasi nicht mehr von unten nach oben, sondern von oben nach unten.”
Mit der Zeit werden seine Auftritte aber auch bezahlt. ,,In meinem Alter sieht man eine gewisse Aufwandsentschädigung als selbstverständlich. Also für einen Kasten Bier irgendwo hinfahren, machen wir nicht mehr.” Das sind immer grob 200 bis 300 Euro. Auch wenn es nicht viel einbringt, macht ihm die Musik immer noch Spaß. ,,Ich merke jetzt nach einem Jahr (in meiner neuen Band), da kommt noch was, da kommt noch viel aus mir raus, was ich damals nicht gesehen habe.”
Dran bleiben, sagt er, ,,man sollte das Gefühl, etwas geschafft zu haben, festhalten.”
Das Gefühl schien er zu haben, während er mir von seiner Arbeit für den Nr. zum Platz an der Theke des Kulturvereins erzählte. Unter anderem ist er Kassenwart und Organisator. ,,Der Verein steht dafür, alles etwas anders zu machen, nicht immer den einfachen Weg zu gehen," dies ist auch der Werdegang eines Musikers. Deshalb suchen sie auch Künstler, die nicht so bekannt sind, um diesen sozusagen eine Chance zu geben.
Aufgrund seiner 12-Jahre-langen Musikerkarriere kennt er schon viele, sucht aber immer ,,buntere” Performer. “Mal gibt es Hardcore Veranstaltungen und mal Jazz." Jeder, der in dem Nr. zum Platz auftritt, bekommt Verpflegung und eine Gage, die pro Band immer neu verhandelt wird. ,,Das gehört zu den Standards, die wir hier haben.”
Die kulturelle Orga im Hintergrund für eine Stadt, die er liebt, unterstützt seine Breite als Musiker. ,,Man sollte viel auf Konzerte gehen, sich viel angucken und dann entscheiden, was man wirklich will. Es ist irgendwie auch ein Lifestyle, da sollte man z.B. schon mal sagen, ,ich mache meine eigenen Erfahrungen und lasse mich von niemandem belabern.’”
Er hat auch klare Empfehlungen für Anfänger. Alex benutzt seitdem er klein ist, Line 6 Produkte. Diese haben durch ihre Transistor-Technik einen relativ guten Sound. „Allerdings ist für Metal ein Röhrenamp besser, weil er stärker ist. Den Unterschied wirst du auf Grund der Sinuswelle, die aus der Röhre kommt, immer hören." Man sollte sich unbedingt mit seinem Werkzeug auseinandersetzen! Wenn man dann eine teure Gitarre haben möchte, sollte man in einen Musikladen gehen. „Manchmal sind gebrauchte Gitarren auch besser als neue, weil diese Gitarren schon gelebt haben, sie wurden also schon mal bespielt.”
„Viele Menschen sagen, Rock ist tot - das ist BULLSHIT!”
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